Schaute sich vor Ort die Grabungsergebnisse an: Landrat Dr. Andreas Ebel im Gespräch mit Dr. Ingo Eichfeld (Kreis- und Stadtarchäologe) auf dem Gelände der Sassenburg. Foto: Landkreis Gifhorn.

Archäologische Untersuchungen: Erste Zwischenbilanz an der Sassenburg

veröffentlicht: am 23.08.2021     Presseinformation

Obwohl die erstmals 1702 urkundlich erwähnte Sassenburg eines der wichtigsten Bodendenkmale in und um Gifhorn ist, ist sie bislang weitgehend unerforscht. Die nun gestarteten Untersuchungen haben daher zum Ziel, die Sassenburg zeitlich und funktional näher zu erfassen und in ihren historischen wie auch naturräumlichen Kontext einzuordnen.

Nach rund drei Wochen archäologischer Grabungen auf dem Gelände der ehemaligen Sassenburg ziehen die Projektbeteiligten der Kreis- und Stadtarchäologie Gifhorn, der Universität Leipzig (Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte) und des Archäologische Arbeitsgemeinschaft im Museums- und Heimatverein Gifhorn e.V. eine erste Zwischenbilanz.

Unter der Leitung von Uwe Kraus (Universität Leipzig, Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte), Heinz Gabriel (Archäologische Arbeitsgemeinschaft) und Dr. Ingo Eichfeld (Kreis- und Stadtarchäologie Gifhorn) wurden zwei Grabungsschnitte angelegt. Als Helfer sind sieben Studierende sowie mehrere Freiwillige von der Archäologischen Arbeitsgemeinschaft vor Ort.

Erste Hinweise auf die Datierung bzw. Aufgabe der Anlage wurden im vorgelagerten Grabenbereich entdeckt. Hier fanden sich unter einer Torfschicht mehrere gut erhaltene Hölzer, von denen einige Spuren einer Bearbeitung aufweisen. Für zwei Eichenhölzer konnte über eine dendrochronologische Untersuchung ein Fälldatum von 957 bzw. 999 n. Chr. ermittelt werden. Bisher konnten aber nicht alle geborgenen Hölzer analysiert werden. Daher gehen die Archäologinnen und Archäologen davon aus, dass sich die Erbauung der Anlage mit fortschreitender Untersuchung noch genauer eingrenzen lässt.

„Ich freue mich sehr, dass die Untersuchungen des Projektteams weitere Erkenntnisse über die Sassenburg zu Tage gefördert haben“, zieht auch Landrat Dr. Andreas Ebel ein Zwischenfazit. „Der gesamte Landkreis Gifhorn hat geschichtlich sehr viel zu bieten und die Sassenburg ist einer der spannendsten Orte. Ich hoffe sehr, dass künftig noch weitere archäologische Projekte dieser Art durchgeführt werden.“

Neben den angeführten Hölzern wurden zudem zahlreiche Flintartefakten – die auf eine Anwesenheit von Menschen schon am Ende der letzten Eiszeit hindeuten – auch einige Keramikscherben aus der mutmaßlichen Erbauungs- oder Nutzungszeit der Anlage gefunden. Die feuchte Alleraue, der vorgelagerte Graben und der im Norden fast fünf Meter hohe Wall haben jedoch nicht verhindert, dass auf der Sassenburg ein Feuer wütete und der Platz verlassen wurde.

„Als Ursache für die Zerstörung der Befestigung vermuten wir kriegerische Auseinandersetzungen, die möglicherweise mit den historischen überlieferten gewaltsamen Konflikten zwischen Sachsen und Slawen um das Jahr 1000 in Verbindung zu bringen sind“, erläutert Dr. Ingo Eichfeld, Stadt- und Kreisarchäologe. „In jedem Fall bietet das Gelände der Sassenburg noch viel Potential für weitere Forschungen.“

 

Weitere Hintergründe zu den archäologischen Grabungen

Ein Grabungsschnitt im Osten der Anlage erfasst den hier obertägig noch etwa zehn Meter breiten und zwei Meter hohen Wall sowie den vorgelagerten, an der Geländeoberfläche noch rund 80 Zentimeter tiefen und sieben Meter breiten, Graben. Auf der Kuppe des Walls wurden mehrere stark verkohlte Balken entdeckt, die bei einem Abstand von etwa 3,8 Meter zueinander parallel zum Wallverlauf ausgerichtet sind. Zwischen den Hölzern liegt aufgetragener heller (Dünen-)Sand. Die Balkenlagen sind möglicherweise als Unterbau für eine aufgehende Holzkonstruktion errichtet worden, die das Abfließen des lockeren Dünensands verhindern sollte. An den Wallseiten ist das teils verstürzte, teils abgeflossene Material stark mit Holzkohle durchsetzt. Dies deutet darauf hin, dass die Konstruktion in Brand geraten und schließlich zusammengebrochen ist.

Ein zweiter Schwerpunkt der Untersuchungen befindet sich an der nördlichen, zur Aller zugewandten Seite der Sassenburg. In diesem Bereich wurde unter anderem der Frage nachgegangen, ob sich der im Osten noch erkennbare Graben ursprünglich um den gesamten Ringwall herumzog. Die Untersuchungen zeigten, dass zwar Spuren einer alten, zur Aller abfallenden Oberfläche vorhanden sind, jedoch kein Graben. Im nördlichen Bereich der Sassenburg bildete die feuchte Aller-Niederung offenbar ein ausreichendes Annäherungshindernis. Zudem war der Wall an dieser Stelle besonders hoch, denn die Erbauer hatten hier in den Wallverlauf eine bereits vorhandene Flussdüne integriert. Festgehalten werden kann somit auch, dass die Erbauer der Sassenburg die natürlichen Gegebenheiten vor Ort gezielt ausgenutzt haben.

Wie im östlichen Bereich der Anlage konnten auch auf der nördlichen Wallkuppe verkohlte Balken in paralleler Lage nachgewiesen werden. Dadurch ist der Befund der parallelen Holzeinbauten gesichert und es liegt nahe, diese Konstruktion für den gesamten Wallverlauf anzunehmen.

 

Die Befunde passen zu einer Anekdote

Die im Rahmen der archäologischen Untersuchungen aufgedeckten Befunde passen dabei sehr gut zu einer bekannten Anekdote. Im Gifhorner Kreiskalender von 1965 berichtet der ehemalige Bodendenkmalpfleger des Landkreises Gifhorn und spätere Leiter des Kreisheimatmuseums in Gifhorn, Bernhard Zeitz, dass in den 1920er Jahren ein Dackel in einen Fuchsbau hineingekrochen und nicht wieder herausgekommen sein soll. Um den Hund zu retten, sei dieser von seinem Besitzer freigegraben worden. Dabei soll unter einer 60 bis 80 Zentimeter hohen Dünensandschicht wiederum eine 40 bis 60 Zentimeter starke Kultur- und Kohleschicht zum Vorschein gekommen sein. Diese Schicht, die jedoch keine Scherben oder anderen Funde enthielt, wurde von Bernhard Zeitz seinerzeit als Brandschicht einer hölzernen Befestigungsanlage gedeutet.