„Plan B für Dorfkerne & Baugebiete“ – Impulse zu zukunftsfähiger, lebenswerter Baukultur im ländlichen Raum im Rittersaal.

veröffentlicht: am 01.06.2023     Presseinformation

Dass die Baukultur einem Wandel unterworfen ist, war der Konsens an der Abendveranstaltung „Der Plan B für Dorfkerne und Neubaugebiete“ am 24. Mai im Rittersaal des Schlosses Gifhorns.

Auf der Agenda standen Vorträge wie lebenswerte Quartiere im ländlichen Raum gestaltet werden können und das Projekt „Jungt kauft Alt- Junge Menschen kaufen alte Häuser“.
Die mit mehreren Architekturpreisen ausgezeichnete Architektin und Stadtplanerin Karin Kellner des ksw* Architekturbüros hat eindrücklich erläutert, wie leere Flächen in einem gewachsenen Dorfkern nachhaltig, platzsparend und trotzdem mit Bezügen zur Umgebung entworfen werden können. Dabei sollte sich immer die Frage gestellt werden, welche konkreten Faktoren zur Identität eines Ortes gehören und die Planung daraus ausrichten. Ihr Appell richtete sich an die geladenen Bürgermeister*innen und Gemeinderäte die Bedürfnisse der Menschen stärker in den Fokus zu nehmen und stärker so zu bauen, dass sich Menschen im Alltag mehr begegnen.


„Alles hängt mit allem zusammen“, verdeutlichte Frau Kellner und das bedeutet, dass wir uns wieder als Teil der Natur verstehen müssen und kleine Dinge in den großen Zusammenhang stellen müssen. Nur mit ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltigem, verantwortungsvollen Handeln wird es uns gelingen, auf Dauer lebenswerte Quartiere entwickeln zu können und wenn wir all dies nicht berücksichtigen, schaden wir all jenen, denen wir mit der Ausweisung neuer Bauflächen neuen Wohn- und Lebensraum zur Verfügung stellen wollen.
Die Aussage keine Neubaugebiete mehr in den Gemeinden auszuschreiben, führte zu einem kontroversen Diskurs über die Unterschiede zwischen Land und Stadt. Daraufhin erläuterte Frau Kellner, welche Kriterien bei Ausschreibungen von bspw. Leerflächen im Dorfinnen oder grundsätzlich bei der Ausschreibung von Quartieren beachtet werden sollten, um dieses zukunftsfähig zu gestalten und keine sogenannte „Schlafstädte“ zu erschaffen.


Der Hinweis auf einen ÖPVN Anschluss erhielt höhnende Rufe, zeigt aber nun umso mehr, welche Relevanz dieses Thema auf dem Land hat. Zudem sollte bei einer Quartierplanung der tägliche Bedarf durch eine Lebensmittelversorgung gedeckt werden.

Am Beispiel des Nikolaiquartiers in Hannover- Limmer erläuterte Frau Kellner wie multifunktionelle „halb“ öffentliche Freiflächen und viele Hauseingänge für ebenerdiges Wohnen mit heckengesäumten Gärten für Familien, eine höhere Lebendigkeit und nachbarschaftlichen Austausch garantieren. Wenn Freiflächen im Quartier multifunktional genutzt und bspw. Parkplätze ins Quartiert integriert werden statt direkt vor den Wohnungen zu bauen, wird der öffentliche Raum aufgewertet und belebt.
Eines der wohl wichtigsten Planungskriterien um zukünftig auch dem demographischen Wandel zu begegnen, ist der Mix aus unterschiedlichen Wohnformen in einem Quartier.
Zudem gab Frau Kellner den Zuhörerinnen und Zuhörern noch mit, dass es zu empfehlen ist, Bauprojekte als Wettbewerb auszuschreiben, um eine Auswahlmöglichkeit zu haben und die bestmögliche Option für die eigene Heimat zu erhalten.


Anschließend berichtete Eike Bremer von der Samtgemeinde Lachendorf, die seit 2015 erfolgreich das Projekt „Jung kauft Alt- Junge Leute kaufen alte Häuser“ anbieten. Durch einen Beteiligungsworkshop wurde festgestellt, dass viele Häuser in der Dorfmitte der einzelnen Mitgliedskommunen einem Besitzerwechsel bevorstehen und ggf. leer stehen.
werden. Ziel des Projektes ist es den Flächenverbrauch zu senken und junge Familien zu halten oder zu gewinnen. Um die Gemeinden zu verjüngen, wurde das aus Hiddenhausen ursprünglich stammende Projekt „Jung kauft Alt“ für die Samtgemeinde Lachendorf angepasst. Personen, die ein 25 Jahre altes Haus und älter erwerben möchten, können für eine Laufzeit von 6 Jahren 600 € jährlich erhalten, welches sich pro Kind um weitere 300 € erhöhen kann. Die politische Diskussion führte in der Samtgemeinde Lachendorf zur der Beschlussfassung, dass drei Jahre nach Förderbeginn keine Baugebiete ausgeschrieben werden dürfen und die Innenverdichtung vom Verbot einer Bauleitplanung ausgenommen ist. Nach 7 Jahren mit dem Projekt „Jung kauft Alt“ können positive Auswirkungen aus das Ortsbild bemerkt werden, denn alte Gebäude konnten erhalten und weiterentwickelt werden. Eike Bremer gibt als zuständiger Kämmerer zu bedenken, dass es eine freiwillige kommunale Leistung ist, sodass ein gewisser politischer Wille zur Fortführung eines Förderprogramms notwendig und nur die Mitnahme der Politik ein Garant zum Gelingen einer Projektidee ist. Die positiven messbaren Effekte auf Schlüsselzuweisungen und Einkommenssteueranteile dienen dazu als sinnvolle Argumentationsgrundlage. Die 53 bewilligte Zuschüsse, mit 13 Zuzügen von außen unterstreichen den Erfolg des Projektes in der Samtgemeinde Lachendorf.